find-was.de - Populäre Irrtümer und Urban legends

Info
Kategorien
Legenden
Surftipps

Raketenstarts in Cuxhaven

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Zwischen 1933 und 1964 wurden im Großraum Cuxhaven zahlreiche Raketenexperimente durchgeführt.

Inhaltsverzeichnis

30er und 40er Jahre

Im April 1933 startete Gerhard Zucker eine Postrakete, die von Duhnen nach Neuwerk fliegen sollte. Allerdings stürzte der Flugkörper schon nach wenigen Metern ab.

Im Zweiten Weltkrieg erfolgten vom Schießplatz Altenwalde aus einige Versuchsflüge der FI-103 (V1). 1945 wurde Kurt Debus beauftragt, als Ersatz für den Prüfstand VII in Peenemünde eine Abschußrampe zur Erprobung der A4-Rakete in der Nähe von Cuxhaven aufzubauen. Dieses Vorhaben konnte wegen der fortschreitenden Kriegsereignisse nicht vollendet werden. Allerdings lieferten diese Arbeiten eine Grundlage für die Operation Backfire, der Demonstration von drei startenden A4-Raketen vor Militärvertretern der alliierten Streitkräfte im Oktober 1945. Für die Operation "Backfire" wurde entlang des Weges zwischen Arensch und Sahlenburg eine Abschußrampe und zwei Betonbunker errichtet, von denen heute noch einige Überreste vorhanden sind.

50er Jahre

Die Anfänge in Hespenbusch

1952 begann Karl Poggensee in Hespenbusch mit der Entwicklung und den Start kleiner Feststoffraketen. Er gründete im gleichen Jahr auch einen raketentechnischen Verein, die "DAFRA", die später in "Deutsche Raketengesellschaft" und "Hermann-Oberth-Gesellschaft" umbenannt wurde. *Schon nach kurzer Zeit baute diese Gesellschaft Raketen mit Gipfelhöhen von einigen Kilometern, für deren Start das in Hespenbusch zu Verfügung stehende Areal allmählich zu klein wurde und ein neues Startgebiet gefunden werden mußte. Auf Anraten des Cuxhavener Stadtrates Geveke, der im Zweiten Weltkrieg bei der Entwicklung von Raketenwaffen arbeitete, wurde das Wattengebiet von Cuxhaven gewählt. Dieses Gebiet hielt man nicht nur deshalb für geeignet, weil hier schon die Raketen der Operation "Backfire" gestartet wurden, sondern auch, weil man sowohl in nördliche als auch in westliche Richtung freie Schußbahn hat.

Fortsetzung in Cuxhaven

Am 24. August 1957 erfolgten die ersten Raketenstarts. Es wurden einige Ölsprühraketen und einige Versuchsraketen mit Gipfelhöhen von 4 Kilometern gestartet. Wegen schlechten Wetters wurde der ursprünglich geplante Start einer Rakete von Ernst Mohr mit einer Gipfelhöhe von 20 Kilometern abgesagt. Der Startplatz dieser Raketen befand sich in der Nähe des Bauhofs von Arensch. Im Unterschied zur Operation "Backfire" gab es keine feste Abschußrampe, allerdings wurde in einem verfallenen Bunker der Marine aus dem 2. Weltkrieg der Leitstand installiert.

Am 8. Juni 1958 erfolgte ein erster Startversuch von Raketen von Ernst Mohr. Diese Raketen wurden zwischenzeitlich so weit verbessert, daß sie Gipfelhöhen von 50 Kilometern erreichen konnten. Allerdings gab es Probleme mit der Flugstabilität und die Raketen stürzten ab.

Am 14. September 1958 gelang ein erfolgreicher Flug von Ernst Mohrs Raketen.

Am 16. Mai 1959 erfolgte der erste Start einer Postrakete. Diese Rakete beförderte 5000 Postkarten über eine Entfernung von 3 Kilometern. Die mit dieser Rakete transportierten Briefe erhielten einen besonderen Stempel und sind heute begehrte Sammlerobjekte bei Philantelisten. Mit den Postraketenstarts wurde auch die Finanzierung der Raketenexperimente unterstützt.

Am 1. November 1959 erfolgte der erste Start der Kumulus, bei dem allerdings der Sender versagte. Es wurde eine Gipfelhöhe von 15 Kilometern erreicht.

60er Jahre

  • Am 11. und 12. Februar 1961 gelang erstmals der Start von Kumulus-Raketen mit wissenschaftlichen Experimenten und die Funkverfolgung der Flugkörper.
  • Im Mai und Juni 1961 wurde erstmals mit Raketen Post über eine größere Entfernung transportiert und zwar zu den Inseln Neuwerk und Scharhörn.
  • Am 16. September 1961 erfolgte der Start von zwei Kumulus-Raketen mit biologischen Experimenten an Bord und zwar den Salamander Max und den Goldfisch Lotte. Lotte landete nach vollbrachten Flug weich, während Max wegen eines Fallschirmdefekts eine harte Landung erlebte. Am gleichen Tag erfolgte der Jungfernflug der Höhenforschungsraketen Cirrus I und II mit Gipfelhöhen von 35 bzw. 50 Kilometern.
  • 1961 begann der Raketenkonstrukteur Berthold Seliger, der im gleichen Jahr ein Unternehmen für Raketenbau, die "Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH" gründete, mit den Starts von eigenentwickelten Raketen: waren es zuerst nur Nachbauten der Kumulus, so startete er am 19. November 1962 erstmals drei Einstufenraketen mit einer Länge von 3,4 Meter und einer Gipfelhöhe von 40 Kilometern, deren Signale u.a. von der Bochumer Sternwarte empfangen wurden. Diese Raketen waren vollständig wiederverwendbar und kehrte nach vollbrachten Flug an einem Fallschirm zurück.
  • Am 7. Februar 1963 erfolgte der Jungfernflug von Berthold Seligers Zweistufenrakete. Diese Rakete mit einer Länge von 6 Metern erreichte eine Gipfelhöhe von 80 Kilometern. Wie bei den einstufigen Vorläufermodellen konnten deren Signale von der Bochumer Sternwarte empfangen werden. Vor diesen Start erfolgte erst ein Start einer seiner Einstufenraketen um die Windverhältnisse in der Hochatmosphäre zu untersuchen.
  • Am 2. Mai 1963 startete Berthold Seliger seine eigenentwickelte Dreistufenrakete. Diese Rakete, die mit verminderter Treibladung gestartet wurde, erreichte eine Gipfelhööhe von 110 Kilometern.
  • Bis dato waren alle seit 1957 in Cuxhaven durchgeführten Raketenexperimente rein ziviler Natur: allerdings begann nach diesen Erfolgen die "Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH" militärisch verwertbare Raketen zu entwickeln. Am 5. Dezember 1963 gab die "Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH" eine Flugvorführung ihrer Erzeugnisse vor Vertretern von Militärs aus Nicht-NATO-Staaten. Obwohl keine dieser Raketen eine gebrauchsfertige Waffe darstellte und die Flugkörper nach vollbrachten Flug an Fallschirmen landeten, wurde die nach alliierten Recht gültige maximale Flughöhe von 30 Kilometern für diese Raketen festgelegt. Trotzdem gab es einige diplomatische Verstimmungen, u.a. mit der ehemaligen Sowjetunion, welche hier eine den alliierten Bestimmungen zu wider laufende Entwicklung militärischer Raketen in Deutschland fürchtete. Diese Bedenken waren nicht von der Hand zu weisen, da die am 5. Dezember 1963 vorgeführten Raketen Reichweiten von 160 Kilometern hatten, wenn sie mit voller Treibladung gestartet wurden.
  • Trotz dieser Bedenken gehen die Raketenstarts im Cuxhavener Wattengebiet zunächst weiter. Am 22. März 1964 startete die Hermann-Oberth-Gesellschaft 10 Versorgungsraketen, von denen einige im Gleitflug landen sollten.
  • Am 7. Mai 1964 gab es bei einer Raketenvorführung von Gerhard Zucker in Braunlage einen tödlichen Unfall bei einem Postraketenstart auf dem Hasselkopf in Braunlage, weil eine seiner Raketen kurz nach den Start explodierte und Trümmer in die Zuschauermenge, die viel zu nahe an die Abschußrampe heran durften, stürzten. Obwohl Gerhard Zucker nicht mit der Hermann-Oberth-Gesellschaft und der Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH kooperierte, wurden nach diesem Unfall alle Starts mit Flughöhen von über 100 Metern im Cuxhavener Wattengebiet untersagt, wobei man sich auf das Luftrecht und nicht - was eigentlich viel näher liegen würde - auf das Sprengstoffrecht berief. Im Unterschied zu den Raketen von Gerhard Zucker, dessen Raketen schon einige Male für Zwischenfälle sorgten, gab es bei der Hermann-Oberth-Gesellschaft und der Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH nie einen Unfall mit Personenschaden und beide Gesellschaften genossen hohes Ansehen bei ihren Versicherungen!

Einstellung der Raketenversuche

Die Einstellung der Raketenversuche im Wattengebiet von Cuxhabven, welche von der "Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH", der "Hermann-Oberth-Gesellschaft mbH" und einiger anderer Experimentatoren durchgeführt wurden, ging offiziell auf einen Unfall mit Todesfolge von Gerhard Zucker bei einer Vorführung von Postraketen auf dem Hasselkopf bei Braunlage zurück. Allerdings arbeitete Gerhard Zucker weder mit der "Seliger Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH", der "Hermann-Oberth-Gesellschaft mbH" und den anderen Raketenentwicklern zusammen, welche zwischen 1957 und 1964 ca. 500 Raketen der verschiedensten Größen im Wattengebiet von Cuxhaven starteten.

Die Hermann-Oberth-Gesellschaft mbH hatte einen guten Ruf bei ihren Versicherungen, da es bei den von ihr durchgeführten Flügen nie einen Unfall gab und die Sicherheitsstandards sehr hoch waren.

Der wahrscheinlichere Grund für die Einstellung der Raketenversuche in Cuxhaven dürfte in der Flugvorführung militärisch verwertbarer Raketen der Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH vor Militärvertretern aus nicht-NATO Staaten am 5. Dezember 1963 zu finden sein. Obwohl die vorgeführten Raketen nicht mit Sprengköpfen ausgerüstet waren und nicht gegen die alliierten Gesetze bezüglich der Entwicklung militärischer Raketen in Deutschland verstießen, konnten sie leicht in militärische Raketen umgebaut werden, welche gegen die alliierten Gesetze bezüglich der Entwicklung militärischer Raketen in Deutschland verstoßen würden. Aus diesem Grund war diese Flugvorführung sehr umstritten und es gab einige Proteste von Seiten der Sowjetunion. Da kein alliiertes Gesetz durch die gestarteten Raketen direkt verletzt wurden, gingen die Raketenversuche in Cuxhaven, welche wegen der auch durchgeführten Postraketenstarts bei den Touristen sehr beliebt waren, zuerst weiter. Allerdings wurden sie mit großem Argwohn beobachtet, da man fürchtete, dass unter dem Denkmantel von Post- und Höhenforschungsraketen, militärische Raketen entwickelt werden könnten.

Am 7. Mai 1964 explodierte eine Postrakete von Gerhard Zucker kurz nach dem Start auf dem Hasselkopf bei Braunlage in einer Höhe von einigen Metern und Trümmerteile töteten drei Menschen in der Zuschauermenge, welche sich in viel zu geringer Distanz zur an Abschußrampe aufhielt. Wie oben erwähnt, arbeitete Gerhard Zucker nicht mit den Experimentatoren, die wie die Hermann-Oberth-Gesellschaft zu Beginn der 60er Jahre im Wattengebiet von Cuxhaven Raketen starteten.

Die Argumente mit denen das Verbot der Raketenversuche im Cuxhavener Wattengebiet im Juni 1964 begründet wurden, zeigen einige Ungereimtheiten; obwohl der Unfall in Braunlage ein typisches Explosionsunglück am Boden war (die Rakete befand sich mit einer Flughöhe von einigen Metern weit unterhalb des kontrollierten Luftraums), wurde für die Begründung des Verbots der Raketenversuche das Luftrecht und nicht das Sprengstoffrecht herangezogen. (In der Tat war dieses Verbot nicht ein generelles Verbot von Raketenversuchen im Wattengebiet von Cuxhaven. Raketenversuche mit Flughöhen von bis zu 100 Metern waren nach wie vor zulässig. Allerdings waren derartige Versuche ohne praktische Bedeutung).

Interessanterweise hieß es im Juni 1964, dass die Raketenversuche im Cuxhavener Wattengebiet weitergeführt werden könnten, sobald neue Sicherheitsmaßnahmen ausgearbeitet worden sind, was aber bis heute nicht geschah.

Eine weitere interessante Tatsache ist, dass weder der Hermann-Oberth-Gesellschaft noch der Seliger Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH gestattet wurde, bei den deutschen Beiträgen zu ESA-Projekten mitzuarbeiten, obwohl beide Gesellschaften umfangreiche praktische Erfahrungen beim Entwurf und beim Start von Raketen hatten.

Heutiger Zustand

Das Startareal ist heute Teil eines Nationalparks.

Der Inhalt dieser Seite stammt von Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation


TOP